Es war der 17. Dezember 2012.
Zwei Monate nachdem wir das Dorf verließen, reisten wir durch Zentral Amerika. Über Belize nach Honduras und von Honduras nach Nicaragua. Timo und Saskia reisten weiter. Doch unser Flug ging von Guatemala zurück. Also hatten wir die Gelegenheit das Dorf noch einmal zu besuchen. Drei Tage verbrachten wir in Chuiquel. Die Familie freute sich sehr uns wieder zu sehen und diesmal verbrachten wir viel mehr Zeit mit der Familie. Da es nur drei Tage waren und wir nicht selber kochen konnten, aßen wir immer mit der Familie. Gerade die Abendessen waren sehr erlebnisreich.
Da während der Trockenzeit im Hochland die Temperaturen in der Nacht bis auf Null Grad sinken, versammelt sich die ganze Familie in der gut geheizten Küche um einen großen Ofen, der mit Holz geheizt wird und auf dessen Oberfläche Tortillas gemacht werden. Die zwei ältesten Söhne kommen immer erst gegen acht Uhr nach Hause, da sie von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends Brot in der Region ausliefern. Der Vater, der als Verkehrspolizist arbeitet, kommt meistens erst gegen acht, neun Uhr zurück. Jeden Tag in der Woche und sogar das ganze Wochenende muss er arbeiten. Dreimal die Woche gibt es in Sololà Markt und dann muss er von 4 Uhr bis 9 Uhr arbeiten.
Die Atmosphäre ist abends jedoch gemütlich, locker und es wird viel gelacht. Das Gespräch wird überwiegend von den Männern dominiert und alle sind sehr an unserer Heimat interessiert. An den Arbeitsverhältnissen, der Währung und unseren Essgewohnheiten. Verdutzt und völlig verwundert reagieren sie als wir erwähnen, dass es bei uns keine Tortillas und keine Tamalis gibt. Für die Menschen hier sind Maistortillas das Grundnahrungsmittel und werden zu jeder Mahzeit gegessen. Die Frauen verbringen am Tag rund drei Stunden damit am Ofen die Tortillas zu kneten und warm zu machen.
Wir werden auch gefragt, ob und wie wir Weihnachten feiern. Es stellt sich heraus, dass hier schon an Weihnachten die dicken Böller ausgepackt werden. Die Tiendas sind um Längen besser ausgerüstet als in Deutschland ein Kiosk und man kann Böller in der Größe eines Vokabelhefts kaufen.
Dementsprechend wird Weihnachten erst mit der Familie gegessen, meistens Tamalis und dann geht man auf die Straße und feiert ähnlich wie an Silvester. Des Weiteren wird das Dorf während der Nacht von unzähligen Weihnachtslichterketten beleuchtet und es gibt sogar welche, die schief klingende Melodien von sich geben. Auf dem Dach der katholischen Kirche wurde sogar ein Weihnachtsbaum aufgestellt.
Vom Zeitpunkt als wir Chuiquel verließen bis heute hat sich nicht viel verändert. Jeder berichtet von dem Erdbeben, das sich am 7. November ereignete. An der Grenze zu Mexiko hinterließ es gravierende Schäden und verschüttete viele Menschen. Doch in Chuiquel wurde keiner verletzt, nur ein paar Hütten konnten dem Beben nicht stand halten. Die Bauarbeiten an der Schulerweiterung machten jedoch große Fortschritte. In den zwei Monaten unserer Abwesenheit wurde die Decke des Erdgeschosses fertig gestellt und die Wände wurden hochgezogen. Es fehlen lediglich noch Fenster und das Dach. In ein bis zwei Monaten, sagte man uns, werde das Gebäude fertig sein.
Wir überraschten die Bauarbeiter sehr mit unserem Besuch und veranstalteten eine Pepsi Pausa. Stolz berichteten sie uns von den Fortschritten und fragten uns über die Länder aus, in denen wir gewesen waren. Wir lachten viel und verstanden uns so gut wie vorher. Natürlich wurden die alten Witze wieder aufgegriffen. Wir wurden wegen unserem damaligen Flohproblem aufgezogen und Jakob wegen seiner langen Haare. Die Stimmung war sehr lustig und insgesamt war es ein herzliches und fröhliches Wiedersehen. Am nächsten Tag besuchten wir die Arbeiter noch einmal, um ein wenig auf der Baustelle zu helfen. Doch dann hieß es Abschied nehmen bei einer letzten Pepsi Pausa. Es fiel uns schwer sich wieder von allen zu verabschieden, da man sich trotz der kurzen Zeit wieder sehr an einander gewöhnte und viel mit einander lachte. Zurück in Deutschland sollten wir unsere Familien von den Arbeitern grüßen und natürlich jegliche Schwestern um so mehr.
Am letzten Tag wurden wir spontan zu einer Hochzeit des Sohnes eines Mitglieds aus dem Dorfkomitee eingeladen. Nach einem freundlichen Empfang wurden wir zu Tisch gebeten und mit Pollo Guisado , Reis und Gemüse verköstigt. Da wir jedoch mit dem Komitee erschienen, beschränkte sich unsere Anwesenheit lediglich auf das Essen und nachdem sich alle den Bauch voll geschlagen hatten, gingen wir zusammen mit dem Komitee auch schon wieder. Während des Essens wurden wir mit einer , uns fremden, Sitte vertraut gemacht. Der Gastgeber kam alle zwei Minuten an den Tisch und winkte zu jeder Person , worauf diese mit „Matjosch“ und „Ey“ (Danke) antworteten musste, um sich zu bedanken. Auch in der Familie bedankte man sich mit „Matjosch“ oder „Ey“ nach dem Essen, sobald man den Raum verließ.
Des Weiteren waren wir noch kurz beim Bruder unseres Gastvaters auf ein Weihnachtsgetränk eingeladen. Es nennt sich „Manzanilla“ und eine kleine Pfirsich ähnliche Frucht wird in heißes Wasser gegeben und das Getränk wir anschließend mit Zucker gesüßt. Während des Gesprächs fragte er mich in Anwesenheit seiner Mutter, wie alt denn meine Mutter sei. Beide waren über das Alter meiner Mutter erstaunt und seine Mutter erzählte, dass sie schon fast 70 sei. Darauf sprach sie mich in Kakchiquel an und ich antwortete nur mit „Utz“ (Gut), weil ich natürlich kein Wort verstand. Alle anderen brachen in hemmungsloses Gelächter aus, weil sie auf kakchiquel sagte, dass sie bald sterben werde und ich mit „gut“ antwortete. Mein Fehltritt wurde nicht beleidigend sondern mit viel Humor aufgefasst und zum Spaß aller.
Die meisten Verständigungsprobleme, die wir mit Kakchiquel hatten, wurden in der Regel auf einer sehr lustigen Art oder in Spanisch gelöst. Mit den älteren Söhnen der Familie stellten wir fest, dass es sogar Gemeinsamkeiten zwischen unseren Sprachen gibt. Mein Name: Georg, der in der Pfalz wie „Schorsch“ ausgesprochen wird, klingt in Kakchiquel ganz ähnlich. Georg, Jorge im Spanischen ist „Maschorsch“ auf Kakchiquel. Auch das Wort Nutte , das einer der Söhne einwarf, da er sich schon im Vorhinein schlau gemacht hatte, hat eine Bedeutung in Kakchiquel. Es bedeutet „meine Mutter“. Nu= meine und Té=Mutter.Diese Gemeinsamkeiten und der Austausch über unsere Sprachen brachte uns sehr viel Spaß.
Leider war es dann auch doch sehr schnell so weit, dass wir uns endgültig verabschieden mussten. Alle fragten uns, wann wir denn noch mal wieder kommen würden und sagten uns, dass wir immer willkommen seien und immer bei ihnen wohnen könnten. Wir versicherten ihnen, dass wir falls die Möglichkeit bestehe noch mal wieder kommen würden. Andere Leute aus dem Dorf sagten uns, dass sie mit uns eine sehr schöne Zeit hatten, da wir immer bereit gewesen wären uns am Dorfleben zu beteiligen, viel mit den Kindern spielten und auf der Baustelle halfen.
Mir persönlich und den anderen denke ich auch fiel es schwer mich zu verabschieden, da wir in Chuiquel so freundlich und herzlich aufgenommen wurden und wir hier so viel Spaß hatten. Es war eine unvergessliche Zeit, die wir in diesem kleinen Dorf im Hochland Guatemalas verbrachten. Das ruhige Gemüt, der Humor, die Gastfreundlichkeit, die Trachten und Tortillas werden mir immer im Gedächnis bleiben.
Ich danke auch Esperanza, Oyak und den Spendern dafür, dass dort den Menschen mit dem Bau von Schulen geholfen werden kann und wir die Möglichkeit hatten dieses Dorf kennen zu lernen und unvergessliche Erfahrungen zu machen.
Muchos Saludos,
Yorchh (so schreibt man es hier)